Liebe Leser,
dieser Artikel liegt nun schon einige Tage auf meiner Festplatte herum und ich habe lange gegrübelt, ob ich ihn hier wirklich einstelle.
Dann habe ich mich mit dem Gedanken getröstet, dass ihn vermutlich jeder, den das Thema nicht interessiert, einfach überblättern wird.
Andererseits habe ich in den letzten Jahren gemerkt, dass diese Krankheit nicht so selten ist, wie man es sich wünschen möchte. Es gibt so einige, die Betroffene kennen oder in der Familie haben, und es gibt leider, dazu gehöre ich ebenfalls, so einige Menschen, die sich jahrelang mit Fehldiagnosen herumschlagen, weil auch Fachleute manchmal in die falsche Richtung schauen.
Wie ich schon schrieb, verlasse ich hier und da nun auch mal das Gebiet der Literatur. Heute aus aktuellem Anlass, da ich – und ihr habt es an der langen Stille auf diesem Blog gesehen – aus gesundheitlichen Gründen ein Weilchen abwesend war.
So möchte ich hier also beginnen, ein wenig über die bipolare Störung zu berichten, in der Hoffnung, irgendwann jemanden oder mehrere zu erreichen, denen – durch eigene Betroffenheit oder der eines Freundes oder Angehöriger – das hier weiterhilft.
Die bipolare Störung oder das, was einige heute immer noch unter dem Begriff „manisch depressiv“ kennen.
Diese Krankheit ist inzwischen auch Fernsehreif geworden. Am populärsten ist wohl die Serie „Homeland“, in der sich die Agentin Carrie Mathison mit dieser Diagnose zu plagen hat. Hier sehen wir auch, welches Leben sie führen muss, will sie diese Störung in den Griff bekommen, wie es sich auswirken kann, verzichtet sie zu Gunsten ihrer Arbeit auf eine strikte Lebensweise und ihre Medikamente.
Ich als Betroffene kann der Serie zugestehen, dass die bipolare Störung, zumindest in dieser Form, recht gut gezeichnet ist.
Aber auch hier gilt, zehn Betroffene mit derselben Diagnose ergeben zehn verschiedene Verläufe, je nach Intensität der Ausprägung, der eigenen Lebenserfahrung, dem Charakter und Umfeld.
Also, wovon sprechen wir hier genau?
Wer Artikel über diese Krankheit liest, wird in 75% davon die gleiche Redewendung finden:
„Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“.
Das ist eventuell ein gewisser Ansatz und so meinen Autoren vielleicht, könne man anderen dieses Störungsbild erklären, ich für meinen Fall finde es allerdings sehr simplifiziert.
Denn jeder kennt diese Stimmungen. Es bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als sehr glücklich oder sehr unglücklich zu sein.
Wendet man diese Begriffe auf die bipolare Störung an, stielt man jedem anderen sozusagen diese völlig gesunden Gefühlsregungen.
Die zwei Pole
Depressionen sind ein Krankheitsbild, das heutzutage immer mehr Verständnis erfährt. Das mag auch daran liegen, dass sich immer mehr Betroffene trauen, mit Depressionen offen umzugehen.
Natürlich gibt es auch immer noch Menschen, durch die man als Betroffener geradezu stigmatisiert wird, denn nicht für jeden ist es vorstellbar, dass man sich nicht mit etwas Selbstdisziplin dem Leben stellen kann und alles wäre wieder in Ordnung.
Es ist nicht immer leicht zu verstehen, was es für ein umfassender Kampf sein kann, sich morgens zur Arbeit zu schleppen, seinen Haushalt zu bewältigen, soziale Kontakte zu halten, mit Freunden zu sprechen.
Die einen schaffen das mit links, für sie ist es normal, doch dem Depressiven geht hier buchstäblich die Luft aus.
Es ist nicht der Wille, der fehlt, leidet man unter Depressionen, kann man leider nicht, wie man gern möchte, und manchmal, wenn es sehr schlimm kommt, möchte man auch nicht mehr, wie man sollte, weil einfach alles zur Qual werden kann.
Der Gegenpol, die Manie, sorgt dafür schon deutlich häufiger für Missverständnisse.
Ein Satz, der mir bereits häufiger begegnet ist lautet: „So würde ich mich auch gern mal fühlen.“ Das mit Sicherheit nicht, auch wenn die Manie durchaus als positiv empfundene Aspekte haben kann.
Nur zwei Stunden Schlaf die Nacht? Geht.
Drei Ladungen Wäsche waschen, das Haus putzen, im Garten die Hecken beschneiden, schnell mal noch einen Kuchen backen und das alles, bevor der Vormittag richtig angefangen hat? Kein Problem.
Auf der Arbeit seinen und den Job zweier kranker Kollegen dazu erledigen?
Alles möglich.
Stundenlange Ausbrüche von Kreativität auf diversen Gebieten? Nicht selten.
Alles scheint Spaß zu machen, jede Idee ist die beste, die Welt schillert in den buntesten und leuchtendsten Farben.
Mit einem Minimum an Regenerationsbedarf das Maximum an Tatkraft und Energie.
Doch auch die Manie hat ihre Kehrseite.
Ist sie sehr stark ausgeprägt, riskiert man aufgrund seiner unberechenbaren und sprunghaften Art öfter mal völlig die Bodenhaftung. Auch die Realitätsprüfung leidet hier und da. Aus dem Streben nach dem Neuen, dem Aufregenden werfen Betroffene ihr altes, geordnetes Leben hier und da auch schon mal über Bord.
Im Rahmen von Glücksspiel, Kaufrausch und finanziellen Großprojekten wie dem Finanzieren äußerst teurer Dinge wie einem Neuwagen ruiniert man auch schon mal das eigene, wie auch das Leben des Partners oder der Familie.
Und schließlich kann das Schnellfeuer, welches da im Gehirn stattfindet gepaart mit viel zu wenig Schlaf sogar für Psychosen sorgen.
Dieses Bild ist natürlich nicht ganz vollständig und es zeichnet wirklich die extremste Form, die so eine Manie annehmen kann, aber es dient – hoffe ich – doch gut zur Verdeutlichung.
Und nun schließe ich mal den Kreis zum Titel dieses Posts.
Inzwischen gibt es so einige Aufstellungen prominenter bipolarer, deren Großteil Musiker, Autoren, Bildhauer oder Komponisten und Maler sind und waren.
Edgar Allan Poe, davon geht man zumindest inzwischen fast einheitlich aus, war einer davon.
Liest man die Interpretationen seiner Bücher, fällt der Umstand seiner mentalen Instabilität meist völlig hinten runter. Man konzentriert sich auf seine gern verwendeten Hauptmotive, auf biographische Bezüge und ähnliches, das empfinde ich aus meiner Warte als eher unvollständig.
In seinen Werken findet man oft die Schwankungen und Ausschläge zwischen Depression und Manie.
Aus einem seiner bekanntesten spricht für mich aus jeder Seite die Depression.
Der Untergang des Hauses Usher.
Der namenlose Ich-Erzähler reist auf Bitten seines Jugendfreundes Roderick zum Anwesen der Familie Usher. Roderick leidet an einer nicht näher bezeichneten Nervenkrankheit, die in diesem Falle dadurch entstanden ist, dass sich seit Jahrhunderten nur Geschwister gegenseitig heiraten durften.
Kaum betritt der Erzähler das Haus, beginnen die Merkwürdigkeiten. Bereits in der Eingangshalle muss er sehr die Stimme senken, da jedes laute Geräusch Roderick scheinbar regelrecht Schmerzen bringt. Jede Uhr im Haus ist zum Stehen gebracht worden, alle Fenster sind verhängt, da auch Licht dem Hausherren unangenehm ist. Auf leisesten Sohlen begleitet der Erzähler den einzig verbliebenen Diener seines Freundes in dessen Zimmer, nur im Licht einer Kerze, und selbst auf das Licht dieser muss er verzichten, als der Bedienstete Rodericks Zimmer wieder verlässt.
Natürlich schreibt Poe hier nicht vorrangig über die Depression, seine Intention ist eine andere, und so extrem treten Depressionen eher nicht auf, aber diese gedrückte Stimmung, die den Leser unweigerlich packt, entspricht schon dem Bild, das man sich von einer Depression machen kann.
Das Erlahmen vieler Aktivitäten, Empfindlichkeit gegenüber Licht und Geräuschen, die Schlafstörungen, unter denen auch Roderick leidet, der vornehmlich die Nächte nutzt, um mit seinem Freund zu sprechen.
Dagegen steht für mich Poes „Die Maske des roten Todes“.
Im Land geht eine Seuche um, welche, befällt sie einen Menschen erst mal, zu einem schnellen und grausamen Tod führt.
Prinz Prospero, den die Krankheit, die gut die Hälfte seiner Untertanen dahinrafft wenig kümmert, zieht sich mit einigen Freunden in eine von ihm entworfene Abtei zurück, um sich dort vor dem „roten Tod“ zu schützen.
Er liebt das Besondere, das Außergewöhnliche und feiert in der Abgeschiedenheit quasi ein Fest nach dem anderen.
Bereits hier finden wir eine Positivsymptomatik der Manie.
Schließlich soll alles in einem grandiosen, detailliert geplanten Fest gipfeln.
So sorgt er mit verschiedenfarbigen Fenstern und entsprechender Beleuchtung dafür, dass sieben Räume in einer anderen Farbe gehalten werden, die auch die Gäste entsprechend beleuchtet. Zu jeder vollen Stunde betreten die Gäste schließlich den nächsten Raum.
Vielen, die eine Manie kennen, werden hier einige Komponenten wiedererkennen.
Das Auge fürs kreative Detail, der Hang zu Farben, die Suche nach dem ständigen Vergnügen, Dekadenz, die Fähigkeit in seinem eigenen manischen Kokon die harte Realität auszublenden oder zumindest zu vertreiben.
Wie oben bereits gesagt, hier werden extreme Bilder gezeichnet, die noch nicht so differenziert sind, wie für diese Krankheit – wie bei allen anderen auch – angemessen wäre, aber für meine künftigen Artikel bildet sie vielleicht ein gutes Grundgerüst.
Ich möchte mich eigentlich auch nicht so sehr auf das Fachchinesisch verlegen, von dem man im Internet genügend lesen kann, mir geht es auf diesem Themengebiet eher um das Erleben dieser Krankheit, darum, zu vermitteln, was sie auf verschiedenen Gebieten des Alltages bedeuten kann.
Fachwissen liest man sich leichter an, als dass man sich eventuell in jemanden hineinfühlen kann, den eben genau diese Diagnose begleitet.
Im Zuge dessen werde ich natürlich noch etwas mehr auf mich selbst eingehen, denn meine Verlaufsform dieser Krankheit ist, durch eine Jahrelange Fehldiagnose und dadurch falsche Behandlung inzwischen eine andere.
Auch das ist ein Weg, den viele Bipolare gehen müssen. Einfach deshalb, weil man wegen Depressionen, in denen man sich schlecht fühlt, schon eher mal zum Arzt geht.
Aber wer stellt sich beim Psychiater ein, weil er wochenlang Zustände erlebt, in denen es ihm gut geht?
Oftmals passiert das erst, wenn man in der oder durch die Manie irgendwann abstürzt oder auf einen Schlag viel oder alles verliert.
Wer es bis hier durchgestanden hat, dem danke ich fürs Lesen.
Natürlich folgen auch wieder Buchvorstellungen, leider aber erst, wenn ich dem roten Faden in einem Buch wieder folgen kann. 🙂
herzliche Grüße,
Eure Dehlia.